Religionspädagogische Analysen zur Opferthematik. Untersuchungen zwischen der Lebenswirklichkeit Jugendlicher und theologischer Tradition
(FWF Elise-Richter-Projekt [V679-G32] von Karin Peter)

 

Exemplarische Thematik

Die Opferthematik ist nicht nur in der theologischen Tradition und Debatte von äußerster Relevanz, sondern im alltäglichen Leben sehr präsent und wirkmächtig: Polemische Auseinandersetzungen werden auf Kosten von bestimmten Feindbildern geführt, gleichzeitig aber auch Opfernarrative bewusst eingesetzt. Phänomene von Selbststilisierungen als Opfer lassen sich sowohl individuell als auch kollektiv finden, da der Opferstatus im Kontext westlicher Kultur oft einen Vorteil (zumindest moralischer Qualität) mit sich zu bringen vermag. So lässt sich für unsere Gesellschaft geradezu eine „Opferversessenheit“ konstatieren. Im Deutschen ist der Begriff besonders schillernd, weil er sowohl den Aspekt „zum Opfer gemacht werden“ als auch den Aspekt „ein Opfer für jemanden/etwas bringen“ beinhaltet.

Theoretische Grundlegung

Mit dem Opferkontext wird exemplarisch eine theologisch und alltagsweltlich relevante Thematik bearbeitet, um Vorstellungsänderungen von Jugendlichen zwischen alltagsweltlicher und theologischer Rahmung in den Blick zu nehmen. Dafür wird der conceptual change-Ansatz herangezogen, der innerhalb der fachdidaktischen Vorstellungsforschung im MINT-Bereich etabliert ist. In vertikaler Hinsicht ist dabei der Wechsel zwischen (meist als problematisch erachteten) primären und (fachlich korrekten sowie angestrebten) sekundären Vorstellungen von Schüler*innen im Blick. In horizontaler Hinsicht gilt die Aufmerksamkeit dem Wechsel zwischen verschiedenen gleichrangigen Verständnisweisen und Rationalitäten.
Mit einem solchen Verständnis eines conceptual change in horizontaler Hinsicht werden Transformationen zwischen alltagsweltlich und religiös-theologisch gerahmten Vorstellungen von Jugendlichen beobachtet und damit die Spezifika, die im Kontext einer theologischen Rationalität gegeben sind, näher gefasst.

Methodische Vorgehensweise

In einer qualitativ-explorativen Studie wird anhand der Auseinandersetzung mit dem Opferbegriff untersucht, welche Transformationsmuster sich bei Jugendlichen in der Bewältigung eines conceptual change in horizontaler Hinsicht zwischen alltagsweltlichen und theologischen Kontextualisierungen zeigen. Erhoben werden diese Vorstellungsänderungen im Rahmen einer schriftlichen Befragung von Schüler*innen der 11./12. Jahrgangsstufe in einem didaktischen Setting, wobei der Opferbegriff in den Fragestellungen durch spezifische semantische Marker einmal alltagsweltlich und einmal theologisch gerahmt wird.
Um die Spezifika juveniler kontextbedingter Vorstellungsänderungen besser fassen zu können, erfolgt die Analyse vor dem Hintergrund und im Vergleich mit systematisch-theologischen Konzepten.

Ziele

Die Auswertung der qualitativen Untersuchung und die weiterführenden Überlegungen erfolgen auf verschiedenen Ebenen.

  • Die Transformationsmuster der Jugendlichen in der Bearbeitung der unterschiedlichen Kontextualisierungen, die zugleich auch die Spezifika der theologischen (Opfer-)Vorstellungen der Jugendlichen deutlich werden lassen, werden als conceptual change in horizontaler Perspektive erhoben und beschrieben.
  • Davon ausgehend werden Möglichkeiten der Vorstellungsförderung innerhalb der theologischen Fachrationalität erarbeitet – also eines conceptual change in vertikaler Hinsicht unter Berücksichtigung der Besonderheiten des religionsdidaktischen Felds.
  • Das Potential des conceptual change-Ansatzes für die Religionsdidaktik insgesamt wird ausgelotet.

 

Projektleiterin

Karin Peter

 


Publikationen im Projektkontext

  • Peter, Karin: Und wer ist schuld? In: Die Furche 2/2021 vom 14.01.2021, 13.
  • Peter, Karin: Viktimisierungssensibilität als Voraussetzung der Verwirklichung einer liebenden Haltung in Bildungsinstitutionen. In: Köffler, Nadja Maria / Steinmair-Pösel, Petra / Sojer, Thomas / Stöger, Peter (Hg.): Bildung & Liebe. Interdisziplinäre Perspektiven. Bielefeld 2018, 241-261.

 

Medienberichte über das Projekt

  • „Du Opfer!“ Ein religiöser Begriff auf Abwegen. In: Die Presse, 01.10.2022, W2.

 

Aktivitäten im Projektkontext

  • Peter, Karin: „Rahmengeprägte Vorstellungen im Religionsunterricht. Alltagsweltlich und theologisch gerahmte Vorstellungen zur Opferthematik und deren Bearbeitungsmöglichkeiten“. Vortrag im Rahmen der Jahrestagung „Rahmungen im Religionsunterricht“ des Vereins für Konstruktivismus in Theologie und Religionsdidaktik e.V. (Tagungszentrum Wuppertal, 09.02.2023).
  • Peter, Karin: "Wie Rahmen rahmen. Religiöse Ein- und Vorstellungen Jugendlicher angesichts diverser Rahmungen". Vortrag im Rahmen des Symposions "Religiöse Vorstellungen von Schüler:innen: Perspektiven - Forschungsprojekte - Konsequenzen" (Universität Wien, 04.11.2022)
  • Peter, Karin: „Was ein Opfer ist“. Gesprächspartnerin (gemeinsam mit Matthias Lohre und Moderator Andreas Obrecht) in der Radiosendung „Punkt eins“ (Ö1, 12.09.2022)
  • Peter, Karin: „Bleibt alles anders? Conceptual change-Ansatz im Transfer. Potential des conceptual change-Ansatzes in verschiedenen fachlichen Domänen und hinsichtlich interdisziplinärer Mehrperspektivität“. Vortrag im Rahmen der GFD-ÖGFD-Tagung „Fachdidaktik im Zentrum von Forschungstransfer und Transferforschung“ (Universität Wien, 31.08.2022).
  • Peter, Karin: „Transformationsmuster des Theologisierens. Potential des Conceptual Change-Ansatzes in der Religionsdidaktik – exemplarisch im Kontext der Opferthematik“. Posterpräsentation im Rahmen der AKRK-GrW-Jahrestagung „‚Wenn sich die Mitte auflöst …‘. Große und kleine Narrative in Gesellschaft und Religionspädagogik“ (Trier, 11.09.2021)
  • Peter, Karin: „Transformationsmuster des Theologisierens Jugendlicher. Potential des conceptual change-Ansatzes für die Religionsdidaktik – exemplarisch im Kontext der Opferthematik“. Vortrag im Rahmen des „Projektforum Religionspädagogik: Nachwuchsforscher*innen im Dialog“ (Trier, 09.09.2021)
  • Peter, Karin: „Transformationsmuster des Theologisierens. Sprachlich artikulierte Vorstellungen und Vorstellungsänderungen im Rahmen der Opferthematik – Ein Werkstattbericht“. Vortrag im Rahmen des Netzwerktreffens Frauen.Forschen (Kath.-Theol. Fakultät, Universität Wien, Online, 21.05.2021)
  • Peter, Karin: "‚Du Opfer!‘ – ‚Ich Opfer!‘. Gesellschaftliche Opferdiskurse zwischen Macht und Ohnmacht“. Vortrag im Rahmen des Spezialkurses „Das Opfer. Zur Ambivalenz einer religiösen Kategorie“ der Theologischen Kurse Wien (Online, 06.03.2021)
  • Peter, Karin: „Opferkonzepte in der christlichen Tradition: lebenseinschränkend oder -fördernd?“ Vortrag im Rahmen des Spezialkurses „Das Opfer. Zur Ambivalenz einer religiösen Kategorie“ der Theologischen Kurse Wien (Online, 05.03.2021)
  • Peter, Karin: Seminar „Spezielle Fachdidaktik: ‚Opfer‘ als Thema im Religionsunterricht“ (Universität Wien, SoSe 2021)
  • Peter, Karin: "Viktimisierungserfahrungen im Schulkontext". Vortrag im Rahmen der ÖRF-Tagung zum Thema „Religiöse (Identitäts-)Bildung heute. Biografische Prägungen – Einflussfaktoren – Individuelle Modellierungen“ (Wien, 14.–15.11.2019)
  • Peter, Karin: "Jugendliche in Auseinandersetzung mit der Opferthematik". Vortrag im Rahmen der Jahrestagung des „International Colloquiums on Dramatic Theology“ (Danzig, 03.07.2018)
  • Peter, Karin: "Opfer zwischen Gabe und Gewalt. Das Opferverständnis im Rahmen des Gabe-Diskurses". Vortrag im Rahmen der Jahrestagung des „International Colloquiums on Dramatic Theology“ (Innsbruck, 05.07.2017)
  • Peter, Karin: "‚Opfer‘ – Vorstellungen und Zugänge von Jugendlichen". Vortrag im Rahmen des 21. AKRK-Sektionstreffens „Empirische Religionspädagogik“ zum Thema „Dramatische Theologie im Gespräch. Aktuelle Forschungsprojekte und Entwicklungen“ (Mainz, 03.03.2017)